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Strom

Marktupdate August: Die Strommarktreform der EU tritt in Kraft

30. Juli 2024

von Christoph Deutscher

Im Juli ist die Strommarktreform der Europäischen Union in Kraft getreten, die zu Teilen bereits im Mai und März dieses Jahres vom Rat verabschiedet wurde. Das Paket soll für stabilere Energiepreise, geringere Abhängigkeit von den Preisen für fossile Brennstoffe und einen besseren Schutz vor Krisen sorgen. Die Reform wurde erstmals im März 2023 als Vorschlag ins Gespräch gebracht. Erste Einigungen wurden bereits Ende 2023 getroffen, nachdem die Verhandlungen nur zwei Monate vorher im Oktober angefangen haben. Hintergrund des Vorschlags waren die schwankenden Strompreise im Jahr 2022. Verbraucher sollten sich auf langfristig stabilere Strompreise verlassen können.

Europäische Strommarktreform: Was ist neu?

Die neue Strommarktreform der Europäischen Union sieht vor allem drei Ziele vor: „Verbesserten Verbraucherschutz“, „Mehr Stabilität für Unternehmen“ und „Mehr Öko-Strom“.

Mehr Verbraucherschutz

Für Verbraucher und Haushalte ist dabei neu, dass sie beim Abschluss eines Stromversorgungsvertrags in Zukunft mehr Auswahlmöglichkeiten und Klarheit haben werden.

Als erster Punkt im Vorschlag vom März 2023 steht der Schutz der Verbraucher vor schwankenden Preisen. Um das zu gewährleisten, sollen Bürger und Bürgerinnen das Recht auf Festpreisverträge und Verträge mit dynamischen Preisen und das Recht auf Mehrfachverträge haben.

Das bedeutet, Verbraucher können sich eine Kombination aus einem Festpreis und einem dynamischen Preis zusammenstellen. Damit sind sie einerseits gegen plötzliche Preisschocks gewappnet. Andererseits können sie aber auch Preisschwankungen nutzen, wenn die Strompreise gerade niedrig sind, beispielsweise für das Laden von Elektrofahrzeugen oder für die Nutzung von Wärmepumpen. Gleichzeitig soll dieser Vorschlag Verbrauchern mehr Sicherheit geben, die in erneuerbare Energiequellen investieren wollen, etwa in Dach-Solaranlagen. In Kombination mit diesem Vorschlag soll es außerdem mehr Festpreisverträge geben. Stromanbieter sollen also mehr Preisgarantien aussprechen und Verträge mit langfristig sicheren, gleichbleibenden Preisen anbieten. Ein weiterer Punkt ist, dass Verbraucher durch die Reform bessere und klarere Vertragsinformationen erhalten. Dadurch sollen Verbraucher in der Lage sein, sich einen besseren Überblick über die Strompreisverträge zu verschaffen und den für sie passendsten auszuwählen. Die veröffentlichte Verordnung enthält vor, dass Endkunden vor Vertragsabschluss oder -Verlängerung eine „knappe, leicht verständliche und klar gekennzeichnete Zusammenfassung der wichtigsten Vertragsbedingungen“ erhalten. Die Leitlinien dafür werden von der Europäischen Kommission bereitgestellt.

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Weitere Maßnahmen für den Verbraucherschutz umfassen die Unabhängigkeit von Preisschwankungen und die Sicherheit vor der Willkür von Stromanbietern. Demnach sollen Stromanbieter die Vertragsbedingungen vor Ablauf eines Vertrags nicht einseitig ändern können. Einzig bei Festpreisverträgen darf ein flexibles Element enthalten sein, beispielsweise unterschiedliche Preise für Spitzenlastzeiten und Nebenzeiten. Diese Regelung unterscheidet sich von einem dynamischen Strompreis insofern, dass die Preise nicht dauerhaft schwanken, sondern es im einfachsten Fall zwei Festpreise gibt: Einen für tagsüber und einen für nachts. Das Europäische Parlament kommentierte nach der Einigung im Dezember 2023, dass dadurch der Strommarkt „stabiler, erschwinglicher und nachhaltiger“ werden solle. Das Sonderkündigungsrecht bei einer Strompreiserhöhung in Deutschland bleibt unangetastet.

Außerdem sind die EU-Staaten angehalten, dafür zu sorgen, dass von Energiearmut betroffene und schutzbedürftige Haushalte keinen Nachteil auf dem Strommarkt haben, beispielsweise in Form von finanziellen Unterstützungsmaßnahmen oder Erzeugungszuteilungsquoten. Der Vorschlag spricht hier konkret an, dass Frauen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Kinder und Angehörige ethnischer Minderheiten ein höheres Energiearmutsrisiko haben. Im ursprünglichen Vorschlag wurde außerdem erwähnt, dass unter Umständen auch Haushalte mit mittlerem Einkommen solche Hilfen beziehen sollen. In der tatsächlichen Verordnung ist dieser Zusatz nicht mehr vorhanden. Jede Regierung wird ein eigenes Konzept entwickeln, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Zuletzt müssen EU-Mitgliedstaaten in einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren Versorger letzter Instanz bestimmen. Diese Versorger übernehmen die Stromversorgung von Haushalten, deren Versorger seinen Betrieb eingestellt hat. In Deutschland geschieht das bereits durch die regionale Ersatzversorgung.

Stabilität für Unternehmen und Erneuerbare Energien

Als zentraler Punkt der Strommarktreform stehen langfristige Verträge zwischen Regierungen und Stromanbietern, sogenannte Differenzverträge (auch Contracts for Difference, CfD). Diese funktionieren so, dass Staaten Stromerzeugern einen Mindestpreis für Strom garantieren. Sollte der Marktpreis unter einen vereinbarten Preis fallen, würde der Staat für die Differenz aufkommen. Andersherum gehen alle Überschüsse an den Staat bzw. an den Endkunden, sollte der Marktpreis die vereinbarte Obergrenze überschreiten.

Sinn dieser Maßnahme ist es, dass Anreize für einen effizienten Betrieb der Erzeugungsanlage und zur effizienten Teilnahme an den Energiemärkten erhalten bleiben. Ebenso gelten zweiseitige Differenzverträge bei Investitionen in Windenergie, Solarenergie, geothermische Energie, Wasserkraft und Kernenergie.

Diese Differenzverträge sehen vor, dass erzielte Einnahmen, wenn der Marktpreis über dem Ausübungspreis liegt, auf alle Stromendkunden verteilt werden. Diese Verteilung darf allerdings nicht dafür sorgen, dass Verbraucher weniger Energie sparen oder zeitweise niedrige Strompreise nutzen. Außerdem darf dadurch kein Wettbewerbsvorteil entstehen. Auf der anderen Seite sollen auch hier wieder die Verluste ausgeglichen werden. Das soll bei den Energieerzeugern Anreize zum Ausbau erneuerbarer Energien schaffen, indem die Investitionen mit weniger Risiko verbunden sind.

Das bisherige System der Energiebörse, nach dem der Strompreis durch ein Merit-Order Prinzip bestimmt wird, wird trotz Kritik beibehalten. Bisher sorgte das dafür, dass der Börsenstrompreis durch das teuerste gehandelte Kraftwerk bestimmt wurde. Durch die Reform erhofft sich die EU, die Schwankungen zwischen den niedrigen Börsenpreisen erneuerbarer Energie und den teuren Preisen fossiler Energie zu reduzieren.

Durch neue Vorschriften soll außerdem die Integration Erneuerbarer Energien in das Stromnetz erleichtert werden. Ebenso soll die Stromerzeugung aus Erneuerbarer Energie durch neue Transparenzvorschriften für Netzbetreiber und neuen Möglichkeiten zur Überwachung des Stromnetzes berechenbarer werden.

Gewappnet für zukünftige Krisen

Die Strommarktreform enthält auch einige Klauseln, die es der Europäischen Kommission ermöglichen, eine regionale oder unionsweite Strompreiskrise auszurufen, mit einer Dauer von bis zu einem Jahr. Dafür müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Sehr hohe Preise auf den Stromgroßhandelsmärkten, die mindestens zweieinhalbmal so hoch sind wie der Durchschnittspreis der letzten fünf Jahre und voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern werden
  2. Starker Anstieg der Endkundenpreise für Strom um mindestens 70 %, der voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird
  3. Negative Auswirkungen des Anstiegs der Strompreise auf die Gesamtwirtschaft.

In dem Fall dürfen Mitgliedstaaten gezielte öffentliche Eingriffe in die Strompreisfestsetzung für die Stromversorgung von Haushalten sowie von kleinen und mittleren Unternehmen vornehmen. Die Staaten erhalten die Möglichkeit, eine Preisobergrenze festzusetzen, die sich am historischen bzw. am Medianverbrauch orientiert und in einem Kontingent gedeckelt ist. Somit folgt sie dem Konzept der Energiepreisbremse in Deutschland. Außerdem sollen die Maßnahmen bei kleinen und mittleren Unternehmen immer noch Anreize zur Nachfragereduzierung bieten.

Was bedeutet die Strommarktreform für Verbraucher?

Der wichtigste Punkt für Verbraucher und Haushalte ist, dass es nun möglich ist, Mehrfachverträge bzw. Kombinationen aus langfristigen Festpreisverträgen und dynamischen Stromtarifen abzuschließen. Dadurch haben Haushaltskunden nun die Möglichkeit, sich für langfristige Stromverträge mit gleichbleibenden Preisen zu entscheiden, gleichzeitig aber auch die Zeiten nutzen, an denen der Strompreis des dynamischen Tarifs unter dem Festpreis liegt. Das ist besonders für Personen sinnvoll, die zu planbaren Zeiten einen sehr hohen Stromverbrauch haben. Also wer zum Beispiel ein Elektrofahrzeug laden will oder eine Wärmepumpe nutzt.

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